Hannah, geb. 17.08.2009

Der 25.08.2009 veränderte das Leben der Familie auf einen Schlag. Hannah, die zweite Tochter, war gerade 8 Tage alt und schon schlug das Schicksal zu.

Sie war als gesund aus dem Krankenhaus entlassen worden und eine Hebamme besuchte uns täglich. Ich konnte und kann es nicht wirklich beschreiben, aber ich hatte irgendwie ein komisches Gefühl und die Sorge, dass mit Hannah irgendwas nicht stimmt. Sie schlief viel und trank, im Vergleich zu unserer ersten Tochter, sehr schlecht. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie mich, wenn sie wach war, mit leeren und irgendwie „leblosen“ Augen anschaut. Daher vereinbarte ich einen Kinderarzttermin.
 
Dann ging alles rasend schnell: Krankenhaus, Intensivstation, Verlegung nach Stuttgart, Herzkatheter, OP, insgesamt 3 Wochen Krankenhausaufenthalt. Es ist schwer zu beschreiben, wie sich dieses ganze Szenario damals angefühlt hat: Es traf uns völlig unvorbereitet und fühlte sich irgendwie surreal an, wie in einem schlechten Film, auf dessen Handlung man keinerlei Einfluss hat.
 
Man wird ins kalte Wasser geworfen und kann noch nicht mal schwimmen. Man ist abhängig von völlig fremden Menschen und muss ihnen das Leben des eigenen Kindes anvertrauen. Von einer Sekunde auf die andere ist alles anders. Schwierig war für uns auch, die große Schwester Annika, damals auch noch keine 2 Jahre, nicht zu sehr zu belasten und auch ihren Bedürfnissen gerecht zu werden.

Die ersten Wochen zu Hause waren sehr schwierig, da Hannah und auch Annika durch den Krankenhausaufenthalt belastet waren. Sie schliefen schlecht und benötigten viel Liebe und Zuwendung. Trotz allem kehrte aber irgendwann Normalität ein und beide entwickelten sich gut. Hannah war ein munterer Säugling, der neugierig seine Umwelt erkundete, und Annika war eine tolle große Schwester. Da Hannahs Sauerstoffsättigung aber von Monat zu Monat schlechter wurde, mussten wir ca. ein halbes Jahr später zu einer Herzkatheteruntersuchung nach Stuttgart.
 
Es stellte sich heraus, dass Hannahs Herzfehler noch schwerwiegender sind, als zunächst angenommen. Eine Komplettkorrektur würde nicht möglich sein. Was man versuchen könne, sei eine sogenannte Fontanzirkulation, einen Einkammerherzkreislauf, herzustellen. Das bedeutet, dass bei Hannah das Blut nicht über das Herz in die Lunge gepumpt wird, sondern direkt in die Lunge fließt. Von dort geht es über das Herz in den Körperkreislauf und versorgt den Körper mit sauerstoffgesättigtem Blut. In der Folge heißt das, dass sie weniger belastbar ist und ein Leben lang blutverdünnende Medikamente nehmen muss.

Sie war eine Kämpferin!
 
Als Hannah noch keine 10 Monate alt war, fand die große OP statt. 12 Stunden !!! Die einem vorkommen wie Tage und man irgendwann nicht mehr weiß, wie man sich ablenken soll. Insgesamt war Hannah 2 Wochen intubiert, d. h. künstlich beatmet, und in eine Art künstliches Koma versetzt. Viel länger als geplant. Da bei der OP Lymphgefäße verletzt wurden, durfte sie nur noch eine spezielle fettfreie Nahrung bekommen. Insgesamt war sie 4 Wochen auf der Intensivstation. Diese Zeit ging nicht spurlos an ihr vorüber. Manchmal kam sie uns fast fremd vor. Sie wirkte traurig, irgendwie verloren. Das Essen verweigerte sie total und sie musste über eine Magensonde ernährt werden. Weitere zwei Wochen auf einer Kinderstation folgten.
 
Endlich durften wir auch wieder Besuch von ihrer Schwester Annika bekommen. Es war schön mitzuerleben, wie sehr sich beide gefreut haben, den anderen wiederzuhaben. Ab da ging es auch mit Hannah aufwärts. Zwar langsam, aber stetig. Obwohl die Ärzte mit Hannahs Sauerstoffsättigungswerten nicht ganz zufrieden waren, durften wir nach 6 langen Wochen endlich wieder nach Hause. Rückblickend können wir sagen, dass es mehr als einmal sehr kritisch um Hannah stand und es an ein Wunder grenzt, dass sie es geschafft hat, am Leben zu bleiben. Sie ist eine Kämpferin! Wie wir diese Zeit überstanden haben, wissen wir auch nicht genau. Aber trotz aller Komplikationen war für uns tief im Innern klar, dass wir Hannah irgendwann wieder mit nach Hause nehmen. Dass sie stirbt, war für uns irgendwie keine Option.

Die ersten Wochen zu Hause waren noch anstrengender als nach dem ersten Krankenhausaufenthalt. Hannah musste noch über die Magensonde ernährt werden, bekam eine ganze Reihe an Medikamenten, täglich musste mit einem Fingerpiks der Gerinnungswert ermittelt werden, sie benötigte Physiotherapie, um das Krabbeln und Sitzen wieder zu erlernen, und benötigte viel Zuwendung und Schmusezeit.  Annika war stark verunsichert und benötigte ebenfalls viel Aufmerksamkeit. Das Alltägliche im Haushalt musste ja auch noch laufen.
 
Auch wir Erwachsenen waren psychisch und körperlich ausgelaugt und es dauerte einige Wochen, bis wieder Routine in den Alltag einkehrte und wir uns einigermaßen „normal“ fühlten.
 
Eine familienorientierte Reha FOR in Tannheim wurde uns schon damals von den Ärzten angeraten. Wir haben uns damals dagegen entschieden, da wir nach so einem langen Krankenhausaufenthalt einfach nur mal zu Hause und nicht wieder in einer Klinik sein wollten. Hätten wir damals schon gewusst, was uns hier erwartet, hätten wir uns wohl doch für einen Aufenthalt hier entschieden.
Leider hat die kleine Hannah im Februar 2016 den Kampf verloren. Sie wird immer in unserer Erinnerung bleiben.