Familie Kisch

Nicole und Alexander Kisch sind mit ihrer sechsjährigen Tochter Ariane im November 2011 nach Tannheim gekommen – ein halbes Jahr nach dem Tod ihres Sohnes Laurin, der am 12. April 2011 im Alter von zweieinhalb Jahren an der seltenen Hautleukämie starb.

Nicole und Alexander Kisch sind mit ihrer sechsjährigen Tochter Ariane im November 2011 nach Tannheim gekommen – ein halbes Jahr nach dem Tod ihres Sohnes Laurin, der am 12. April 2011 im Alter von zweieinhalb Jahren an der seltenen Hautleukämie starb. Die Diagnose wird am Tag vor dem zweiten Geburtstag des kleinen Jungen gestellt, es beginnt ein verzweifelter Kampf um sein Leben. Die Familie Kisch durchlebt all die Belastungen, die vor mehr als 25 Jahren zum Aufbau der familien­orientierten Nachsorge in Deutschland führten: Mutter und Vater wechseln sich am Krankenbett des Jungen im Klinikum ab, die Tochter Ariane verbringt viel Zeit bei Oma und Opa. Alexander Kisch: „Wir gaben uns nur noch die Türklinke in die Hand, uns gab es eigentlich gar nicht mehr – weder als Gesamt­familie noch als Ehepaar, denn einer war immer beim Kind.“
 
„Unsere Familie gab es schließlich nicht mehr zu viert...“, empfand Tochter Ariane anfangs die vie­len Besuche bei Oma und Opa noch als „Abenteuer“, wurden die Abschiede, wenn die Eltern wieder zu ihrem Bruder Laurin ins Krankenhaus eilten, immer schwieri­ger: ­Die Tochter sehnte sich nach ihrer Familie, die es nun nicht mehr „zu viert“ gab. Denn Ariane durfte Laurin nicht besuchen, die Infektionsgefahr war we­gen der Stammzellentherapie zu groß. Sehen konnten sich die Geschwister nur noch über Video­telefonate, die der Inter­netdienst Skype ermöglichte – für ein Familien­leben ist das kein Ersatz. Ale­xander Kisch: „Einer war immer bei Ariane, der andere bei Laurin. Wir haben versucht, für beide Kinder da zu sein.“

Mutter Nicole erinnert sich an die ­Kla­ge von Ariane: „Warum dürfen andere ei­ne Familie sein und wir nicht?“ Schließlich weigerte sich Ariane, weiter bei Oma und Opa zu übernachten. Physiotherapeut Alexander Kisch nimmt als Konsequenz eine berufliche Auszeit, seine Frau Nicole, gelernte Krankenschwester, ist zu dieser Zeit nicht berufstätig.
 
Alle haben gekämpft, alle Ihr Bestes gegeben – aber Laurin war nicht zu retten. Und auch wenn es viele schwierige Situationen gab, hat die Familie Kisch doch vielfältige Hilfen und wirkliche Freundschaft erfahren – auch in der Zeit nach dem Tod des Kindes. Problemlos verlief die Genehmigung der Nachsorgebehandlung: Die Fa­milie Kisch hatte nach nur drei Tagen die Zusage zur Kostenübernahme in der Hand. Andere Teilnehmer der Verwaistenreha im November 2011 hatten da entschieden mehr Schwierigkeiten. Einige sind sogar angereist, ohne dass die Kostenübernahme durch die Krankenkasse gesichert war. So dringend war ihr Wunsch nach Hilfe auf dem so wichtigen Weg zurück in ein „normales“ und geregeltes Leben, in eines, das nicht länger nahezu ausschließlich von Trauer und Schmerz bestimmt ist.

„Wir sind rundum zufrieden, das Gesamtpaket passt einfach“. Was bringt die Auszeit in Tannheim? Eine Woche vor der Heimreise betonen Nicole und Alexander Kisch: „Wir sind rundum zufrieden. Die Atmosphäre hier ist sehr angenehm, das Gesamtpaket passt einfach! Die Menschen sind ungeheuer um uns bemüht und auch die Lage der Klinik ist toll. Wir beschäftigen uns viel mit Laurin. Man kann seinen Gefühlen im Alltag einfach nicht den Raum geben wie bei einer Reha in Tannheim. Und hier können Dinge besprochen werden, die nur Betroffene verstehen. Nur wer selbst ein Kind ver­loren hat, kennt diese tiefe Trauer, diesen unsagbar großen Schmerz.“
 
Nicole und Alexander Kisch beobachten, wie sich ihr Schmerz dank der thera­peu­tischen Behandlung durch erfahrene Psychologen und psychosoziale Mitarbei­ter nach und nach verändert. „Zwar gibt es noch immer Tage, an denen einem schon beim Aufstehen der Verlust des Kindes übermannt, aber es gibt auch mehr und mehr Tage, die gut sind“, beschreibt Alexander Kisch sein Empfinden. Und seine Frau Nicole fügt hinzu: „Es ist wirklich so, dass man hier damit beginnt, wieder leben zu lernen, mit dem Tod seines Kindes besser umzugehen.“

Beide empfinden es zudem als große Hilfe, dass sie bei der Reha in Tannheim Menschen kennenlernen konnten, die ihr Kind wie sie erst vor wenigen Monaten verloren haben, und zugleich solche, bei denen der Tod schon länger zurückliegt. So erfahren sie die ganze Bandbreite der mit dem Tod eines Kindes verbundenen Gefüh­le – können sich auch auf ihr zukünftiges Erleben vorbereiten.